„In 30 Jahren wird sich die Fichte verabschieden“
Kahlschlag in den Wäldern, Stapel voller Käferholz, Bauern im Dauereinsatz – der Borkenkäfer hat in unserer Region derzeit leichtes Spiel, denn die Erderwärmung setzt den Bäumen zu. Auch der Osinger Wald bei Laufen ist von dieser Entwicklung nicht gefeit. Deswegen lud der dort beheimatete Laufener Waldkindergarten kürzlich Kinder und Eltern zur Info-Veranstaltung mit dem Titel „Der stabile Zukunftswald.“
Thomas Klein, Revierleiter der Bayerischen Staatsforsten, und Sepp Ratzesberger, örtlicher Jäger, referierten über Klimaveränderung, Waldumbau und die Auswirkungen auf das heimische Wild. In zwei großen Gruppen zogen die Teilnehmer durch den Wald und lauschten den Ausführungen der beiden Experten, die bereits im Frühjahr eine ähnliche Wanderung alleine mit den Kindern durchgeführt hatten.
„Als ich 1988 Revierleiter wurde, bestand der Osinger Wald hauptsächlich aus Fichten“
Thomas Klein berichtete: „Er war durchsichtig, monoton und ohne Verjüngung.“ Die eng gesetzten Fichten trieben sich gegenseitig in die Höhe, das Ergebnis war astarmes, gerades Holz, das sich gut verkaufen ließ. Was ganz früher ökonomisch sinnvoll erschien, funktioniere aber durch den Klimawandel und den Borkenkäfer-Befall nicht mehr. „In 30 Jahren wird sich die Fichte verabschieden und nur mehr in höheren Lagen, etwa am Teisenberg, gesund wachsen können“, so der Förster mit fast 40 Jahren Berufserfahrung.
Die Natur ist der günstigste Waldarbeiter
Die Zukunft liege daher in Mischwäldern, in denen eine Vielzahl an Laub- und Nadelbäumen gedeihen. Denn diese seien resistenter gegen den Klimawandel, so Klein: „Lieber entnehme ich eine Fichte, wenn stattdessen ein Laubbaum gut heranwächst.“ Generell sei die vorausschauende Pflege des Waldes die beste Strategie. Die Förster sehen, was der Wald von sich aus hervorbringt, und lenken dessen Entwicklung. „Die Natur ist der günstigste Waldarbeiter, wenn man bedenkt, dass das Anpflanzen durch den Menschen rund 10.000 Euro pro Hektar kostet“, so Thomas Klein.
Ganz von alleine gehe es natürlich nicht, denn rasch käme es zu einem Verdrängungswettbewerb unter den Bäumen. „Im Wald möchten wir viele Arten wachsen sehen, von Kiefern, Tannen und Fichten über Eichen und Buchen bis hin zu Ahorn und Ulmen“, betont Thomas Klein. Deswegen werden etwa kleinräumliche Gruppen von Baumarten gefördert, beispielsweise eine Buchengruppe oder eine Ansammlung von Fichten, um deren Wachstum zu erleichtern. Nichtpassende Bäume werden dagegen entfernt – entweder durch Waldarbeiter oder durch Privatpersonen mit Selbstwerbeschein, die gegen Bezahlung das Brennholz mit nach Hause nehmen dürfen.
Arbeit von Generationen
Bäume mit Potenzial kennzeichnet Thomas Klein mit einem „Z“ für Zukunftsbaum. Dabei wird er selbst nicht mehr von seiner Arbeit profitieren, da Fichten erst nach gut 80 Jahren gefällt und verkauft werden. „Ich arbeite für meine Nachfolger, während ich von der Leistung meiner Vorfahren lebe.“ Forstwirtschaft sei eben ein Generationengeschäft, nachhaltig im wortwörtlichen Sinne.
Deswegen achte ein guter Förster auch auf einen umfassend gesunden Wald: Er lässt etwa Totholz für Tiere liegen oder Bäume stehen, in denen Vögel nisten. Generell gewinne der langjährige Planungshorizont in der Forstwirtschaft durch den Klimawandel noch stärker an Bedeutung. „Förster und Waldbesitzer aus dem Spessart beispielsweise sehen sich Wälder in Südfrankreich an, um zu sehen, wie ihre Wälder mit steigenden Temperaturen und weniger Niederschlägen in 20, 30 Jahren aussehen könnten“, berichtet Klein. „Könnten“ wohlgemerkt. Denn niemand wisse es genau. Deswegen brauche man ja auch viele Baumarten im Wald, um für alle Szenarien gerüstet zu sein.
Denn wie es Monokulturen ergehen kann, zeige sich derzeit an den Fichtenwäldern. Trockene, kranke Bäume werden von Borkenkäfern befallen, die durch Pheromone weitere Artgenossen anlocken. „Wenn wir einen Käferbaum übersehen und nicht entnehmen, haben wir rasch zehn weitere ringsum. Der Befall breitet sich exponentiell aus“, klagt Klein.
30 geschossene Rehe pro Jahr
Aber nicht nur Käferpopulationen gehören eingedämmt, auch der Wildbestand müsse eingehegt werden, betont der Förster, der selbst Jäger ist: „Wir schießen im Osinger Wald nachhaltig 20 bis 30 Rehe pro Jahr. Ansonsten hätten wir zu viel Wildverbiss an den jungen Bäumen.“ Weitere Tiere, die von Jägern und Förstern im Osinger Wald registriert werden, sind Hasen, Fasane und selten – aber immer öfter – Wildschweine. Füchse hätten es derzeit dagegen schwer.
Gemeinsames Engagement für die Zukunft
Mit all diesen Erkenntnissen gingen die Teilnehmer der Infoveranstaltung wieder zurück auf das Gelände des Waldkindergartens, um dort am Lagerfeuer zu sitzen, vertiefende Gespräche zu führen und die Kinder spielen zu lassen. Mit der Exkursion hat der Waldkindergarten einmal mehr seinen Anspruch untermauert, Kinder umfassend zu schulen und auch Erwachsene für das Thema „Wald“ zu sensibilisieren.
Kinder und Eltern können sich bei einem Schnuppertag oder durch die Eltern-Kind-Gruppe unverbindlich selbst davon überzeugen, bevor sie Teil des Kindergartens werden. Für das nächste Kindergartenjahr sind jedenfalls noch Plätze frei. Mehr Infos unter waldkindergarten-laufen.de.